Das Buch Ajk'nax petel, Ligera Ternura, Sanfte Liebkosung wurde im Dezember 2009 im Bereich der indigen Literatur auf der internationalen Buchmesse in Guadalajara, Jalisco, Mexiko mit großem Erfolg präsentiert.

 

Künstlergärten St. Leonhard:

 

Poesie über Ozeane hinweg 

 

Sanfte Liebkosung oder Ajk´nax petel in Tseltal oder für Spanischsprechende: Ligera ternura. Drei Sprachen sind der Titel dieses Gedichtbandes und drei Personen mit drei jeweils durchaus verschiedenen Künsten sind für seine Entstehung verantwortlich.

Als Autor zeichnet Armando Sánchez Gómez, ein, laut Vorwort „Wander-Schriftsteller“, ein Tseltal aus Oxchuc. Er ist Mexikaner, im Grunde aber Maya und damit ein Nachkomme jener Bewohner, die einst in Mittelamerika eine Hochkultur aufgebaut hatten, die aber aus heute unbekannten Gründen kurz vor der Ankunft der Spanier untergegangen war. Ganze Städte mit gigantischen Steinpyramiden, Tempeln und Ballspielplätzen, sogar Oberservatorien, wurden vom Dschungel überwachsen. Ein kleiner Teil davon wurde wieder entdeckt und für das weltweite Interesse an diesen geheimnisvollen Kultstätten aufbereitet. Man kennt zwar einige mathematische und astronomische Systeme der Mayas, von ihrer Schrift sind aber nur wenige Zeichen entziffert.

Gómez ist Lyriker, mit inniger Beziehung zu Mutter Erde. Aus Lesern werden bei ihm Begleiter, mit denen er die Berglandschaften von Chiapas durchwandert und dabei die Einmaligkeit des irdischen Kosmos beschreibt. Teils sind es nur ein paar Worte, aus denen Gedanken und Stimmungen strömen, wie im Gedicht Silhouette, oder Tier und Pflanze eine Seele erhalten, wie die Mangroven, die Salz trinken, oder der Herr Kolibri, der durch eine Welt flattert, die noch immer von den Mayas bewohnt ist und die vielleicht auch damals so ausgesehen haben könnte wie in diesem Gedicht.

Verfasst wurden diese literarischen Miniaturen in Tseltal, einer Mayasprache. Sie stellen damit ein seltenes schriftliches Dokument einer hauptsächlich nur gesprochenen Sprache dar. Als Fremder, als Europäer, gewinnt man den Eindruck, dass diese Lyrik imstande ist, eine Brücke in die fernen großen Zeiten dieses Volkes zu bauen, auf der durchaus Sprachwissenschaftler, Archäologen oder Ethnologen dem Dichter Gómez in die Tiefen dieser versunkenen Hochkultur folgen könnten.  

Mit Zeichnungen illustriert wurde das Büchlein von Antún Kojtom Lam, geboren 1969 in Ch´ixaltontik Tenejapa. Er weist den Weg zur dritten Wurzel dieser dreifachen Poesie, die in Österreich, im Waldviertel verankert ist.

Ingeborg Bär ist vor einigen Jahren mit ihrem Mann Peter, einem Bildhauer, aus Tirol nach St. Leonhard am Hornerwald gezogen. In den Wiesen rund um das kleine Bauernhaus wurde das Projekt Künstlergärten gestartet. Einer der Schwerpunkte dabei waren die Verbindungen zu indigenen Künstlern aus Mittelamerika, die eingeladen wurden, ihre Ideen von einem Künstlergarten in diesem mit uralten Bäumen bestandenen Obstgarten zu verwirklichen. Einer von ihnen war Antún Kojtom Lam. Er hat ein Beet mit dem Kopf eines Jaguars gestaltet. Bei seinem Aufenthalt hat er wohl Ingeborg Bär auf die Gedichte von Gómez aufmerksam gemacht.

Noch in Mexiko wurde das Buch aus Tseltal ins Spanische übersetzt und von Ingeborg Bär schließlich ins Deutsche übertragen. Es gibt kaum eine schwierigere Übersetzungsarbeit als die Lyrik, oder umgekehrt auch keine schönere, da wie in diesem Fall die Übersetzerin zur Künstlerin wird. Es war ihr Spüren, ihr Empfinden einer Sprache über das logische Verständnis weit hinaus. Ingeborg Bär spricht zwar Spanisch, nicht aber Tseltal, und hat dennoch diese Gedichte, diese einfachen wunderschönen Worte auch in der deutschen Sprache zum klingen gebracht.

Erschienen ist das Buch 2008 (Gobierno Del Estado de Chiapas), in Österreich seit 2009 erhältlich.

ISBN: 978-970-697-254-5

http://www.baer-baer.at/projekt-kuenstlergaerten.htm

Bilder am Text und am Gedicht: Zeichnungen von Antún Kojtom Lam

 

Text verfasst von Hannes Gans, Wochenschau www.wochenschau.at

 

Nojk´etal

 

LE´ TA SIT NA YA XCHIKNA TE XOJOBIL K´A´AL

ya xtil ilel anojk´etal yu´un

te xch´in stsotsil abak´etal ya xlem

ya stsakbon jkot´an.

 

Silueta

 

EN LA VENTANA APARECE EL SOL LUMINOSO,

al reflejo emerge tu silueta

tus vellos mínimos brillan,

sacias mi mirada

 

Silhouette

 

AM FENSTER GEHT DIE STRAHLENDE SONNE AUF,

am Widerschein zeigt sich Deine Silhouette

Deine kleinsten Härchen schimmern,

Du stillst meinen Blick.

 

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